BARBARA FRISCHMUTH: DUFTRAUSCH
Handschriftliches Notizbuch „Gartenbuch I. Iris, Iris, komm heraus. Fingerkraut und Feenhandschuh.“, Pag. 143; Vorlass Barbara Frischmuth am Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung.
DUFTRAUSCH Im Februar
Ein melonenpfirsichfarbenes Licht, das sich in einer Andeutung von Blau verliert. Die Kälte (-8°) zeichnet mit beißendem Stift. Klare Linien mit viel Weiß, auch wenn die Schneedecke sich hinten und vorne als zu kurz erweist. Die Sonne geht schon wieder über den Tressenstein. Der See ist endlich zugefroren [unter Eis]. Wenn ich aufstehe und zur Verandatür gehe, kann ich seine Oberfläche in fleckigem Weiß changieren/schimmern [stumpf aufschimmern] sehen. Im Ahorn bewegen sich die Vögel, Zweig-Ast, Ast-Zweig. Mir ist, als könnte ich ein froststarres [frostklirrendes] Zwitschern hören.(Kapitel „Duftrausch“ aus Fingerkraut und Feenhandschuh, S. 94.)
Die in Altaussee lebende, schreibende und gärtnernde Autorin Barbara Frischmuth hat neben Romanen, Erzählungen, Hör- und Fernsehspielen, Essays und Kinderbüchern auch vier literarische Gartenbücher verfasst: Fingerkraut und Feenhandschuh (1999), Löwenmaul und Irisschwert (2003), Marder, Rose, Fink und Laus (2007) und zuletzt Der unwiderstehliche Garten (2015). Nach eingehender Beschäftigung mit dem Demeter-Mythos in der Trilogie Herrin der Tiere, Über die Verhältnisse und Einander Kind oder dem Studium der Schriften Hildegards von Bingen scheint es nur folgerichtig, dass sich Frischmuth nun direkt mit den vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mensch, Tier und Pflanze, zwischen Dichterin und Garten auseinandersetzt. Praktische Erfahrungen mit dem Gärtnern, botanisches Wissen, poetische Beschreibungen und philosophische Überlegungen gehen dabei nahtlos ineinander über. Leitend ist dabei die Vorstellung, „dass wir alle (Pflanzen, Tiere, Menschen) aus demselben Stoff gemacht sind und es daher selbstverständlich wäre, auf Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zu stoßen.“ (Der unwiderstehliche Garten, S. 11f.) Fingerkraut und Feenhandschuh ist ein „literarisches Gartentagebuch“, dessen Eintragungen von Dezember bis Juli reichen und in dem diese Form der Gleichberechtigung seine Verwirklichung findet.
Die ausgewählte Textpassage aus der handschriftlichen Fassung bezieht sich auf den aktuellen Monat Februar und bildet die Einleitung zu einer Art „Gärtnern in Gedanken“, so der Titel eines Kapitels aus Löwenmaul und Irisschwert zum Thema „Was die Literatur im Garten verloren hat“. Ein Vergleich mit der im Verlag veröffentlichten Fassung zeigt die vielen Umarbeitungen im Detail, die bis zur letzten Fassung nötig sind. Der gestrichene Satz wurde in der Folge als Beginn des Textes „Wer erhält wen?“ im selben Buch verwendet, der ebenfalls mit „Im Februar“ betitelt ist. Die Ausdrücke in eckiger Klammer geben die jeweilige Druckfassung wieder.
Hannes Schwab
Über ihre Schreibpraxis wird Barbara Frischmuth in einem Gespräch mit Anna Babka am 18. Februar im Literaturhaus diskutieren. Diese Diskussion steht in der Reihe der „Langen Nacht der Textrevisionen“ und folgt auf eine Lesung aus Die Schrift des Freundes.