BRIEF ROBERT HAMERLINGS AN EINEN UNBEKANNTEN DICHTERKOLLEGEN
Brief Robert Hamerlings an einen unbekannten Dichterkollegen vom 9. April 1873. Privatbesitz Christian Neuhuber.
Als Rupert Johann Hammerling 1830 im niederösterreichischen Kirchberg am Walde geboren, galt Robert Hamerling seiner Zeit als einer der bedeutendsten und meistgelesenen Autoren deutscher Sprache. Berühmt gemacht hatte ihn sein Versepos Ahasver in Rom (1866), dessen historistischer Kolorismus und geschichtsphilosophischer Endzeitton das bürgerliche Lesepublikum begeisterte. Der finanzielle Erfolg ermöglichte es dem von einem chronischen Magenleiden gequälten Gymnasiallehrer, sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen zu lassen und in Graz bis zu seinem Tod 1889 ein Leben als freier Schriftsteller zu führen.
Der Ruhm, den ihm Werke wie Der König von Sion in den folgenden Jahren bescherten, brachte es freilich auch mit sich, dass er – so Rosegger in seinen Erinnerungen an Robert Hamerling – „mit Manuscripten dichtender Stümper und stümpernder Dichterinnen überhäuft“ (Heimgarten XIV, S. 34) wurde, die sich Zuspruch und Förderung erhofften. Rosegger war solche Zudringlichkeit nicht fremd, verdankte doch auch er seinen Karrierestart Hamerlings wohlwollendem Vorwort zur ersten Buchveröffentlichung, dem Dialektlyrikband Zither und Hackbrett (1869). Der Volksschriftsteller vergalt es seinem Gönner mit lebenslanger Freundschaft und versuchte nach Hamerlings Tod die Erinnerung an dessen Werk zu wahren.
Weniger glücklich traf es der unbekannte Adressat unseres Schreibens, der dem verehrten Meister 1873 ein Theaterstück unverlangt zur Begutachtung gesandt hatte. Hamerling war angespannt; seine im Brief erwähnte Arbeit am Liebesroman Aspasia (der nach seiner Vollendung 1874 vielfach aufgelegt und übersetzt werden sollte) ging ihm zu langsam von der Hand und seinen eigenen dramatischen Werken war in den Jahren zuvor kein Erfolg beschieden gewesen. Die als Lesedrama konzipierte Geschichtstragödie Danton und Robespierre (1871), mit der er Büchner übertreffen wollte, wurde weder gekauft noch fand sie in dieser Form den Weg auf die professionellen Bühnen und sein ‚Scherzspiel‘ zur deutschen Einigung Teut (1872) wurde von der Kritik übel zerzaust. So folgt denn auch den routiniert unverbindlichen Lobesworten – die offen lassen, ob Hamerling überhaupt eine Seite gelesen hat – der wenig ermutigende Rat, sich keine Hoffnungen zu machen, um im unwahrscheinlichen Falle eines Erfolgs umso glücklicher zu sein. Welches Werk in diesem ohne Provenienzangabe erworbenen Brief hier angesprochen ist, wird wohl nicht mehr zu klären sein.
Christian Neuhuber