BROCH AN VLASICS
Brief von Hermann Broch an Hans Vlasics. One Evelyn Place (Princeton), 6.9.1947.
Original aus dem Nachlass Hans Vlasics, Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung. Abdruck in: Hans Vlasic (1897-1962) oder „Exil in der Heimat“. Hrsg. v. Hans Gerhard Kandolf. Bad Aussee: Kammerhofmuseum 1989. (= Schriften des Kammerhofmuseums Bad Aussee. 11.) S. 45.
Der spätere Bad Ausseer Hauptschuldirektor Hans Vlasics (1897-1962), der bereits seit 1927 an der dortigen Hauptschule tätig war, knüpfte – vor dem Hintergrund seiner eigenen literarischen Ambitionen – in den 30er Jahren Kontakte zu „arrivierten“ Autoren, vor allem solchen, die zum Salzkammergut und im speziellen zu Altaussee in einem Naheverhältnis standen: Richard Beer-Hofmann, Arnolt Bronnen, Felix Braun, Rudolf Felmayer, Johann Gunert, Robert Neumann, Herbert Zand – und eben: Hermann Broch.
Daraus entwickelt sich in den 30er Jahren eine nähere Bekanntschaft, vor allem während Brochs Altaussee-Aufenthalt von 1936 bis 1938, wo sich die beiden immer wieder zu Spaziergängen und Gesprächen verabreden. Broch setzt sich für den zurückgezogenen Lehrer ein und forciert eine Veröffentlichung von gemeinsam verfassten „Haussprüchen“, die teilweise in der „Neuen Rundschau“ (2/1938) erfolgt und – unter der behaupteten Autorschaft Thomas Glahn (ein Pseudonym für den Publikationsvermittler Carl Seelig) – 1940 im deutschen Verlag H. Goverts.
Am 13. März 1938 war Broch in Altaussee – denunziert vom Briefträger, der aus dem Bezug der Moskauer Exilzeitschrift „Das Wort“ geschlossen hatte, der Autor müsse Kommunist sein –, von vier jungen Nationalsozialisten verhaftet und im Bezirksgefängnis von Bad Aussee eingesperrt worden. Die (zu seinem Glück nur) dreiwöchige Haft beschleunigte Brochs Exilpläne. Im Juli gelingt ihm die Flucht nach England und im Oktober gelangt er nach New York.
Der abgebildete Brief aus dem US-Exil verweist einerseits auf die politische Positionierung von Vlasics, der mit dem Salzkammergut-Widerstand in Verbindung gebracht wird, andererseits auf die Ehe mit Maria Lambauer, der zwei Töchter entsprangen: Magda Maria und Monika. In einem Beitrag für das Lesebuch „Visionäre bewegen die Welt“ (2005) schreibt die heute prominenteste Autorin aus Altaussee, Barbara Frischmuth, deren Vorlass ebenfalls im Franz-Nabl-Institut aufbewahrt wird: „Magda […] hat mir einmal erzählt, dass ihr Vater die Manuskripte im Garten vergraben hätte, um sie vor dem Zugriff und der Zerstörungswut der Nazis zu schützen.“ Der Nachlass-Geruch als Folge dieser Vergrabungsaktion hat sich nie ganz verflüchtigt…
Die Rückkehr nach Österreich, die Broch in seinem Brief ankündigt, wurde übrigens nie Wirklichkeit: Er starb 1951 nach einem rastlosen Arbeitsleben müde, verbittert und nahezu verarmt in New Haven/Connecticut.
Gerhard Fuchs