WERNER SCHWAB: ABGESAGT UND ANGESAGT – Korrespondenz 1983 bis 1993
Konvolut mit 55 Korrespondenzstücken (großteils Absagebriefen) von unterschiedlichen Korrespondenzpartnern und – soweit möglich – zugeordneten handschriftlichen und transkribierten Briefentwürfen aus den Arbeitsbüchern Werner Schwabs laut angeschlossenem Verzeichnis (1983-1993), beginnend mit einem Brief von Otto Breicha an Werner Schwab, 1 Bl. A4 masch. mit hs. Kritzeleien von unbek., Salzburg, 23.1.1983, Nachlass Werner Schwab am Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung, Korrespondenz, Karton 2.1.1.1.1: Frühe Publikationsbemühungen bis hin zum Erfolg [Absagen und Rückmeldungen] und Karton 2.1.1.1.2: Korrespondenz nach dem Bekanntwerden als Theaterautor.
Die Transkriptionen basieren auf Projektergebnissen von Ingeborg Orthofer, Lizzi Kramberger und Stefan Schwar, durchgesehen und ergänzt von Daniela Bartens und Gerhard Fuchs. Auf den Abbildungen und Faksimiles liegen Urheber- und Reprorechte, jede weitere Verbreitung dieser Inhalte bedarf der Genehmigung durch die Rechteinhaber. Alle Rechte für die Briefentwürfe © Vinzenz Schwab mit freundlicher Genehmigung.
Verzeichnis der Briefe der Korrespondenzpartner bzw. der Briefentwürfe Werner Schwabs in chronologischer Reihenfolge mit Links zu den einzelnen Korrespondenzstücken.
„Ich hab sicher ein paar tausend Prosaseiten, die ich nächstes Jahr zusammenfüge und hinausschieße. Aber mit Prosa habe ich früher kein Leiberl gehabt. Das beste Beispiel sind die protokolle. Ich habe 1981 einen Text an die protokolle geschickt. Und hab nie Antwort gekriegt. Damals war ich Anfang 20. Damals wäre das toll gewesen. Und letztes Jahr ist der Text plötzlich veröffentlicht worden. Sicher wegen dem Erfolg am Theater. Ich weiß gar nicht, wie die solche Texte konservieren, vielleicht gibt’s einen Kühlschrank dafür“, ätzt Werner Schwab 1991 vor der Uraufführung von Mein Hundemund im Gespräch mit Ernst Molden und verstärkt durch die Übertreibung polemisch einen Eindruck, der sich bei der Lektüre des im Nachlass erhaltenen Konvoluts an Absage- und Vertröstungsbriefen einstellt: jenen des Abgespeist-Werdens mittels wohlmeinender Ratschläge bei gleichzeitiger Ratlosigkeit der Antworten dem hermetischen Erzählgestus dieser Prosa gegenüber.
Bieten die einzelnen Briefe auch offene Auseinandersetzungen und zum Teil aufschlussreiche Rückmeldungen über Leseerfahrungen mit Schwabs Prosa und sind sicher aufrichtig unterstützend gemeint, so ergibt sich dennoch in der Serie der fast ein Jahrzehnt dauernden Publikationsbemühungen Schwabs, in deren Verlauf er akribisch allen Hinweisen und Hoffnungsfünkchen nachgeht, ein eher negatives Bild: jenes eines selbstgewissen Literaturbetriebs, in dem – wie engagiert immer – diverse „gatekeeper“ die Verfügungsgewalt über den Eintritt ins gelobte Land der Literatur besitzen. Die Tragweite für die Betroffenen gerät bei diesen Entscheidungen leicht aus dem Blick. Ein Briefkonvolut wie das vorliegende – gepaart mit der Tatsache des späteren Hypes um den Autor, der in der Folge auch die frühen Texte in einem neuen Licht erscheinen lässt – könnte das Augenmerk über den individuellen Fall hinausgehend auch auf solche Fragestellungen legen. „Mein flotter Ton von damals geniert mich noch heute“, formuliert rückblickend einer der damaligen Briefpartner und erteilt – wie bis auf eine einzige Ausnahme alle seinerzeitigen Adressaten Schwabs – dennoch die Rechte zur Veröffentlichung.
Der Text, den Schwab im Interview erwähnt, heißt Nazy und wurde erst im November 1982 an Otto Breicha geschickt, der im Jänner 1983 durchaus wohlwollend, wenn auch auf später vertröstend reagierte (Briefgalerie 1). Es handelt sich dem Nachlass zufolge um Schwabs erste Einsendung eines von ihm selbst offenbar als publikationsreif eingestuften Texts und jedenfalls um die erste erhalten gebliebene Rückmeldung in einer Reihe von Antwortbriefen mit zugleich aufmunterndem und hinhaltendem Gestus. Veröffentlicht wurde in Heft 1 der protokolle von 1991 dann allerdings nicht Nazy, sondern der Text „Gemein und stubenrein. Die Verstärkung eines Klimas“ (1983) als ein Teil jener „siebenzackigen Prosa“ (W.Sch. an Heinz Hartwig, B 17), den Schwab zunächst nicht publiziert sehen möchte (B 4) und den er 1987 „aufgrund der in letzter Zeit stattgefundenen Massenhaftigkeiten“ wohl in Zusammenhang mit der Waldheim-Debatte dann doch für den Druck freigibt (B 6), der aber damals nicht veröffentlicht wurde. Der gesamte siebenteilige Zyklus erscheint erst 1996 unter dem Titel Orgasmus : Kannibalismus posthum im Droschl Verlag.
Der frühe Text Nazy wird dem Autor 1984 von Breicha zurückgeschickt (vgl. B 2) und bleibt unpubliziert, das Typoskript ist im Schwab-Nachlass nicht erhalten. Wohl existieren Notizen und fragmentarische Varianten aus unterschiedlichen Werkphasen unter diesem Titel in den Arbeitsbüchern, die Nazy – beginnend mit frühen datierten Einträgen aus der Grazer Zeit von 1977 um einen Boxer („Ich bin Boxer und es gibt stärkere als mich…“) bis hin zur „Grazkunst“ des Opfertäters Herrmann Wurm – als Teil eines „Grazer“ Werkkomplexes rund um das Thema des „Zurückschlagens“ im konkreten wie im metaphorischen Sinn ausweisen. Wie in Der Himmel Mein Lieb Meine sterbende Beute, von dem eine mit NAZY überschriebene unvollständige Prosavorstufe im Nachlass existiert, ist es freilich letztlich der Kulturbetrieb, der „zurückschlägt“ und den „von der Kunst“ wie von allen guten Geistern „verlassenen“ Herrmann Wurm schließlich wieder in sein „ungenießbares Lebensknödel“-Dasein zurückstößt.
Diese Wechselbeziehungen lassen sich – abgesehen von den werkgenetischen Hinweisen – in ihrer Komplexität durch ein Briefkonvolut wie das vorliegende überzeugend nachzeichnen. „Ein unbekannter Dichter ist ein Schas“, formuliert Werner Schwab im Gespräch mit Ernst Molden, ein bekannter Dichter „selbstverfreilicht“ ebenso, ließe sich mit Blick auf Der Himmel Mein Lieb Meine sterbende Beute ergänzen.
Daniela Bartens
Verzeichnis der Briefe der Korrespondenzpartner bzw. der Briefentwürfe Werner Schwabs in chronologischer Reihenfolge mit Links zu den einzelnen Korrespondenzstücken.